Gartenbau trotz(t) Corona – Teil 1 von 3
Rudolf Steiner-Schule. Donnerstag, 9:30 Uhr am Morgen. Ein Knattern durchdringt den Pausenhof und zieht die Aufmerksamkeit der Schüler vom Hauptunterricht ab. Die ersten Schüler drücken erwartungsvoll ihre Nasen gegen die Masken, gegen die Scheiben ihres Klassenzimmers. Mitten auf dem Pausenhof sehen sie Dampf aufsteigen, sehen sie Schüler bei den letzten Vorbereitungen wuseln, sehen sie einen Mann mit Hosenträgern auf einer Maschine stehen, wie einen Lockführer auf der alten „Adler“ thronen – Sie ist wieder da!
Rückblick: Dienstag zuvor. Eine Schulklasse hat sich trotz sehr regnerischen Wetters auf den Weg gemacht. Mit der Straßenbahn, mit dem Zug und dann zu Fuß weiter. Weiter durch die Fränkische Schweiz, durch Dörfer, an Höfen vorbei, die Landstraße entlang, bis sie in der Ferne eine Wiese mit angeordneten Bäumen erblicken. Weit ausladend stehen die Bäume da, alte Bäume, alte Sorten. Hier wird Rast gemacht, etwas gegessen, die Umgebung erstmalig ruhend wahrgenommen. Erste Fragen werden gestellt und der Projekt-Leiter Herr Neudorfer greift diese auf, informiert die Schüler über die Besonderheit des Biotops zu ihren Füßen – eine „Streuobstwiese“. Viele haben diesen Begriff schon mal gehört, doch kaum einer hat ein Bild vor Augen, eine Streuobstwiese selbst bewusst gesehen, deren Wesen erfühlt. Herr Neudorfer umschreibt die Komplexität des Biotops, deren Bedeutung für Natur und Mensch. Wir stehen mitten im größten Obstanbaugebiet Europas und nehmen gleichzeitig die Einzigartigkeit der Wiese vor Ort wahr.
„Warum liegen all die Äpfel am Boden?“ – „Sie wurden vom Bauern herab geschüttelt, wir klauben sie auf und bringen sie an die Schule!“ – 50 fleißige Hände machen sich ans Werk, klauben unter den tief hängenden Ästen, füllen die Stoffsäcke und bringen sie zum Transporter. Über all die Tage hinweg werden über 150 Schüler auf Streuobstwiesen sein dürfen. Sie werden letztlich mehr als 6 Tonnen Äpfel an die Schule bringen.
Der Pausen-Gong ertönt und die Schüler strömen nach draußen. Corona-bedingt tragen sie eigene Becher mit sich. Am Pausenhof angekommen stehen sie vor ihr: Der Apfelsaft-Presse. Fast so groß wie ein Wohnwagen, schnaufend wie ein Stahlross, mechanisch, unverkleidet. So kann jeder die Abläufe nachvollziehen, das Putzen, Zerkleinern, Befüllen, Pressen, Erhitzen, Abfüllen, schlicht alle Schritte vom Apfel bis in die Flasche offen nachvollziehen. Die jüngeren Schüler staunen, die älteren zieht es gleich zum Saftausschank. Jeder Schüler kann an diesem Tag so viel Saft trinken, wie ihm gut tut – natürlich kostenlos!
Die Maschine ist zwar der optische Magnet, doch rund herum arbeiten von 09:00 Uhr bis letztlich noch über 16:00 Uhr und den Unterrichtsschluss hinaus mehr als 100 Schüler des Gartenbaus überaus fleißig und motiviert. Auch sie haben sich schon die Woche über auf das Ereignis gefreut, Abläufe geplant und besprochen und sind jetzt ein aktiver Teil des Großprojekts. Sie schneiden Äpfel aus, füllen die Presse, schenken Saft aus, verkaufen das flüssige Gold an Eltern – ein Projekt für die gesamte Schulfamilie.
Von den 3.000 Litern Saft ist noch etwas da. Wer will, kann sich diesbezüglich an Herrn Kalka wenden. Sonst bleibt nach der Erstverkostung des Saftes für den Jahrgang 2020 nur noch dies zu sagen:
Farbe: gewohnt trüb bräunlich, gegen das Licht markant bernstein-strahlend
Geruch: süßlich, saftig
Geschmack: sehr fruchtige Note, mit angenehm mild-verträglicher Säure
Aufgrund der Reinheit des Saftes kann dieser problemlos mit Wasser verdünnt werden, ohne dass gleich eine Geschmacksminderung wahrgenommen wird. Im adventlichen Kontext der kommenden Wochen bestimmt auch warm ein Genuss!
Für das Gartenbau-Team
Stefan Wilpert
(Pointierter Ideengeber: Johanna Redwig)